Messertrageverbot – die Auswirkung auf den Selbstschutz
Ein gutes Jahr ist es her, dass ein Gesetzesentwurf über ein Messertrageverbot auf Österreichs Straßen geleakt wurde. Als Reaktion auf mit Messern begangene Tötungsdelikte, vollendete wie versuchte, soll dieses zukünftige Verbot für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum sorgen. Was hier nun folgt, ist eine Liste an Argumenten, die allesamt gegen diesen Gesetzesentwurf sprechen und darlegen, warum dieser Schuss nach hinten losgeht. Und das nicht bloß aus der Sicht einer Waffenbesitzerin.
–
Ein Messertrageverbot im Deckmantel eines Waffenverbotes?
Rollen wir die Geschichte von Anfang an auf. Am 12. März 2024 verlautbart der österreichische Innenminister, ein generelles Waffenverbot in der Öffentlichkeit einführen zu wollen. Mit Schwerpunkt auf Messer bestimmter Art. Experten und Expertinnen aus dem Innenministerium sowie den Landespolizeidirektionen erhielten daraufhin den Auftrag, einen entsprechenden Gesetzesentwurf auszuarbeiten. Das ausdrückliche Ziel dessen sei, Menschen vor Gefahren zu schützen und Gewalttäter durch effiziente Polizeibefugnisse aus dem Verkehr zu ziehen.
Am 11. April 2024 wurde der erste Gesetzesentwurf geleakt. Sofort fällt auf: Obwohl der Innenminister zunächst von einem allgemeinen Waffenverbot mit Schwerpunkt Messer sprach, wird dieser Gesetzesentwurf als reines Messertrage-Verbotsgesetz (MT-VG) bezeichnet. Und das hat Gründe. In beiden Fällen löst das geplante Messertrageverbot aber keine Probleme – es schafft neue.
1. Problem:
Messer sind in Österreich nur in bestimmten Fällen Waffen.
Ein Waffenverbot verbietet Waffen. Ein Messertrageverbot verbietet das Tragen von Messern. Soll dieses Messertrageverbot eine Art Waffenverbot verkörpern, müsste zuerst jedes davon umfasste Messer als Waffe einzustufen sein. Dazu bedürfte es in mehrfacher Hinsicht der Änderung des Waffengesetzes. Im Gesetzesentwurf ist jedoch bereits dem ersten Absatz zu entnehmen, dass es dazu wohl nicht kommen soll. Mal angenommen, es käme zur Änderung des WaffG, beispielsweise zur Änderung der Definition von „Waffe“: Die Republik Österreich würde per Gesetz jeden überzeugten Waffengegner amtlich und unfreiwillig zum Waffenbesitzer erklären. Die Öffentlichkeit spielt hierbei noch gar keine Rolle.
2. Problem:
Das MT-VG hält Delinquenten nicht von ihren Straftaten ab.
Die Natur einer Straftat besteht im Zuwiderhandeln gegen mindestens ein Gesetz. Hielten sich Delinquenten an gesetzliche Verbote, wären sie keine Delinquenten, sondern gesetzestreue Bürger. Jede Gesetzesverschärfung wäre damit obsolet. Ein gesetzliches Verbot jedweder Art schützt nur vor Personen, die sich an dieses Verbot halten. Da stellt sich die Frage: Wer genau muss vor gesetzestreuen Personen geschützt werden, und warum, während Gesetzesbrecher weiterhin gegen Gesetze verstoßen dürfen? Ein Messertrageverbot im Körper eines Waffenverbotes bedeutet für jeden gesetzestreuen Menschen auf offener Straße einen erheblichen sicherheitsrelevanten Nachteil, denn …
3. Problem:
Es verbietet implizit verhältnismäßige Notwehr.
… wer sich an das MT-VG als allgemeines Waffenverbot hält, kann sich gegenüber Delinquenten, die illegal Messer führen, im Falle eines Angriffs nicht verhältnismäßig im Sinne des § 3 StGB↗ verteidigen. Schwächer gestellte sowie gesetzestreue Personen sind damit einer erheblichen Gefahr ausgesetzt. Um sich im Angriffsfall verhältnismäßig schützen zu können, müssten sie vorab wissentlich gegen das Verbot verstoßen und eine Waffe führen. Sie könnten sich aber im Falle der verhältnismäßigen Notwehr nicht auf einen etwaigen Notstand berufen, der den Verstoß gegen das MT-VG rechtfertigen könnte: Denn der Verstoß müsste bereits vor dem Wissen über den Angriff vorsätzlich verfolgen, um die Verteidigungswaffe dann bei sich haben zu können.
Dass ein solches Messertrageverbot nicht als allgemeines Waffenverbot umgesetzt werden kann, war den am Entwurf beteiligten Personen scheinbar sofort klar. Implizit ist es auch dem Gesetzesentwurf selbst dem ersten Absatz zu entnehmen. Aber selbst, wenn es ein reines Messertrageverbot bleibt – und nicht zu einem allgemeinen Waffenverbot wird – tun sich einige Probleme auf.
–
Das Messertrageverbot auf dem Prüfstand
Gehen wir die wichtigsten Punkte des MT-VG durch. Als großes Problem sehe ich den Widerspruch von WaffG und MT-VG:
- Das MT-VG ist nicht als allgemeines Waffenverbot umsetzbar, weil die meisten Messer in Österreich schlichtweg keine Waffen sind.
- Das MT-VG findet ausdrücklich nur auf solche Messer Anwendung, die keine Waffen sind (siehe § 1 Abs 1 MT-VG).
- Das MT-VG verbietet das Tragen von Messern – nicht das Führen von Waffen (= Messer, die Waffen sind).
Letzteres mag zwar aus Sicht eines Notwehrenden praktisch erscheinen, verbietet aber auch potenziellen Gefährdern und Delinquenten de facto nichts: Jeder EWR-Bürger darf in Österreich, sofern
- er kein Waffenverbot hat,
- er mind. 18 Jahre alt ist und
- sich außerhalb einer Waffenverbotszone befindet
legal Waffen führen, die keine Schusswaffen sind; also auch Messer, die Waffen sind. Für das Führen von Waffen nach dem WaffG (≠ Tragen von Messern nach dem MT-VG), die keine Schusswaffen sind, braucht es in Österreich standardmäßig keine ausdrückliche Berechtigung.
§ 1 (1) MT-VG: Räumlicher Geltungsbereich
Nach § 1 soll explizit das Tragen von Messern (per definitionem aus 1 Griff und 1 Klinge mit nicht näher bestimmter Länge) an bestimmten öffentlichen Orten verboten werden. Öffentliche Orte sind solche, die von einem nicht von vornherein bestimmten Personenkreis betreten werden können. Allerdings soll das Tragen dieser Gegenstände nach dem MT-VG nur dann dort verboten sein, wenn nicht das Waffengesetz 1996 (WaffG), BGBl 1 Nr. 12/1997 zur Anwendung kommt. Sprich: wenn die jeweiligen Messer keine Waffen sind.

Die Folgen des § 1 (1) MT-VG:
- Messer, die keine Waffen sind, sollen in Österreich dem Gesetzesentwurf zufolge auch weiterhin keine Waffen sein.
- Messer sind vom Messertrageverbot nicht umfasst, falls dieses, wie einst vom Innenminister verlautbart, als allgemeines Waffenverbot in Kraft tritt.
- Sie sind aber auch dann nicht (immer) vom Messertrageverbot umfasst, wenn dieses als reines MT-VG (und nicht als Waffenverbot) in Kraft tritt. Beispielsweise, wenn man sich an anderen als den gelisteten öffentlichen Orten befindet; etwa im Wald beim Pilzesuchen. Pilze suchen mit einem beliebigen Messer, ob Waffe oder nicht, wäre demnach erlaubt, ebenso das Führen eines Dolches in den gelisteten Gebieten, da Dolche geführte Waffen, und nicht getragene Messer sind, die wiederum nicht vom MT-VG behandelt werden.
§ 1 (2) MT-VG: Definition Messer
Messer sind nach dem Messertrageverbot definiert als Gegenstände mit einer Klinge UND einem Griff. Folglich wären Messer mit mehr als einer Klinge (zB div. Fantasiemesser, Schweizer Taschenmesser) oder mehreren Griffen (zB Kräutermesser, vielleicht auch Sägen?) nicht verboten.

Selbst, wenn ein Messer als Waffe eingestuft und das MT-VG ein allgemeines Waffenverbot wären, wäre das Tragen mehrgriffiger und mehrklingiger Messer erlaubt, da sie die Kriterien, die ein Messer nach diesem Gesetzesentwurf erfüllen müsste, nicht erfüllen. Auch das Tragen und Führen von Klingen ohne Griff wäre erlaubt.
§ 1 (3) MT-VG: Definition Ortsgebiet
Der § 3 definiert den Begriff Ortsgebiet und orientiert sich dabei an der StVO. Er besagt, dass geschlossen bebaute Gebiete, die an Ortsgebiete angrenzen, aus mindestens 5 Wohnhäusern bestehen.

Besteht dieser angrenzende Bereich außerhalb des Ortsgebietes aus weniger als 5 Wohnhäusern oder grenzt nicht direkt an das Ortsgebiet an, gilt das Messertrageverbot dort nicht – auch nicht für Fremde, die hier nicht wohnen.
§ 1 (4) MT-VG: Messer tragen vs. Waffen führen
Dieser Abschnitt erinnert an die Definition des Führens bzw. Transportierens von Waffen (!) und Schusswaffen im § 7 WaffG↗. Zunächst das Offensichtliche: Das Behältnis zum Transportieren von Messern muss nach dem Entwurf des MT-VG nicht geschlossen sein; jenes zum Transportieren von Waffen nach dem WaffG aber sehr wohl. Transportiert man ein Messer, das eine Waffe ist, hat das Behältnis also geschlossen zu sein, da man sonst eine Waffe führen und nicht ein Messer tragen/transportieren würde.
Ein Rückblick auf den § 1 (1) MT-VG:
Das Tragen von Messern ist an öffentlichen Orten verboten, sofern nicht das WaffG zur Anwendung kommt. Das Führen von Waffen (= Messer, die Waffen sind) ist an öffentlichen Orten nicht verboten, solange das Messertrageverbot nicht als allgemeines Waffenverbot umgesetzt wird, da das MT-VG nur das Tragen von Messern verbietet, die keine Waffen sind.

Führen oder Tragen?
Das Führen von Waffen und das Tragen von Messern sind, wie vermutlich bereits auffällt, zwei verschiedene Dinge. Die konkrete Definition des Führens von Waffen ist einerseits dem WaffG, andererseits dem ⇨ DMS-Blogbeitrag über waffenrechtliche Begriffe zu entnehmen. Das Tragen von Messern ist im Gesetzesentwurf zum Messertrageverbot definiert.
Man spricht vom Führen nach dem WaffG, wenn das Messer eine Waffe ist – und vom Tragen nach dem MV-TG, wenn das Messer keine Waffe ist.
§ 1 (5) MT-VG:
Hier finden einige Ausnahmebestimmungen zusammen. Es ist festgelegt, für wen und unter welchen Umständen das gesamte Messertrageverbot nicht gelten soll.


Auswirkungen & Begleiterscheinungen
Auf alle einzelnen Punkte möchte ich hier nicht eingehen, aber auf jene, die mir besonders im Nacken sitzen. Das größte Faszinosum ergibt sich aus der Ausnahme der WBK-Inhaber:
Nach dem WaffG berechtigt die Waffenbesitzkarte zum Erwerb, Besitz und zur Einfuhr von bis zu 2 genehmigungspflichtigen Schusswaffen, der Waffenpass zum Führen von Schusswaffen in der Öffentlichkeit. Messer sind keine Schusswaffen; wären sie welche, wären sie als verbotene Waffe eingestuft und dieser Gesetzesentwurf wäre unnötig, da allein ihr Besitz verboten wäre. Angenommen, dieses geplante Messertrageverbot tritt entwurfsgetreu in Kraft, dann würde die WBK fortan auch zum Tragen von Messern (die keine Waffen sind) an öffentlichen Orten berechtigen. Sollte die WBK tatsächlich zum Tragen von Messern berechtigen, müsste das WaffG auch hinsichtlich des Berechtigungsumfangs der WBK angepasst werden.
Auch das „üblicherweise verwendete Besteck“ ist nicht unerheblich, denn mit dieser Formulierung schreibt der Gesetzgeber vor, dass alle Personen nur noch bestimmte (nämlich übliche) Besteckvarianten für die Nahrungsaufnahme verwenden dürfen. Auch wenn diese Formulierung mit höchster Wahrscheinlichkeit nur ein unbeabsichtigtes Zufallsprodukt ist und gewiss nicht mit Absicht provozieren soll: Die Bestimmung schießt, so wie sie geschrieben steht, unverhältnismäßig an Thema und Zweck des Gesetzesentwurfs vorbei und kommt als unverhältnismäßiger, unbegründeter, anlassloser Eingriff in die persönliche Entscheidungsfreiheit bei den Betroffenen Bürgerinnen und Bürgern an.
Und zwar auch bei Messer- und Waffengegnern: Man stelle sich vor, Allergiker dürfen ihr spezielles Besteck nicht mehr verwenden, weil es nicht der Optik oder Beschaffenheit von üblichem Besteck entspricht und müssen allergische Reaktionen erdulden, weil ihm die Verwendung seines Spezialbestecks (zum Schutze seiner Gesundheit) verboten ist. Verzehrt ein anderer Betroffener sein Mittagsmenü an öffentlichen Orten mit einer Gabel-Messer-Kombination, verstößt er ebenfalls gegen das Messertrageverbot, weil sein Kombi-Besteck nicht zum „Schneiden, Stechen oder Hauen“, sondern zu mehr als einem dieser Zwecke bestimmt ist.
–
Dieses Messertrageverbot ist nicht umsetzbar.
Nicht bloß aufgrund der gravierenden Eingriffe in die Entscheidungsfreiheit (übliches Besteck) und das Recht auf eine individuelle Lebensführung („Waffengegner kraft Gesetzes zu Waffenbesitzern machen“, falls es zu einer Änderung der Waffendefinition käme) ist der Entwurf dieses Messertrageverbots, so wie er vorliegt, nicht durchzubringen. Auch wegen der Schwierigkeit, Bundesgesetze in Österreich zu ändern, liegt dieser Entwurf nun seit gut einem Jahr auf Eis. Er präsentiert deutlich, wie unkontrollierbar Österreich aufgrund der ohnehin bestehenden Überregulierung geworden ist: Schon seit Jahren wird die deutsche Rechtsprechung immer wieder mit der österreichischen verwechselt: Es gibt in Österreich keine Beschränkung der Klingenlänge (siehe hierzu: ⇨ Urban Legends rund um Waffen) und nach vorliegendem Entwurf soll es diese auch mit einem Messertrageverbot nicht geben. Um Anpassung des Gesetzesentwurfs wurde gebeten, es gibt aber bisweilen keine öffentlich einsehbare. Mit der neuen Regierung allerdings wird dieses Thema – in welcher Form auch immer – früher oder später wieder Fahrt aufnehmen.
Hier möchte ich einlenken: Mit Vorschlägen, die keine Scheinsicherheit schaffen, sondern tatsächlich die Sicherheit erhöhen und obendrein Potenzial hätten, Einsatzkräfte zu entlasten. Ein angemessenes Ausmaß an mehr Rechten für gesetzestreue und verlässliche Menschen muss her. Und mehr Verbote und Strafen explizit für Delinquenten. Nicht umgekehrt.
Interessiert an konkreten Vorschlägen?
Stay tuned – sie folgen in Kürze.
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.