Urban Legends: Stammtisch-Mythen & und ihre Richtigstellung
Heute möchte ich auf die bekanntesten Stammtisch-Mythen, Rechtslegenden, Urban Legends und Halbwahrheiten rund um Waffen, ihren Besitz und den Schießsport eingehen. Du hast etwas gehört, das du nicht so recht glauben willst? Lass mir gerne einen Kommentar da. (Achtung: Österreichische Rechtsprechung!)
DIESER ARTIKEL IST KEINE RECHTSBERATUNG!
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Rechtslegenden & das unglaublich Wahre
„In Österreich legal Schusswaffen zu erwerben, ist sehr einfach.“
RICHTIG. In Österreich besteht für EWR-Bürger ein Rechtsanspruch auf Waffenbesitz. Solange du EWR-Bürger bist und der Behörde keine Verweigerungsgründe lieferst (zB ein Waffenverbot), darf dir die Waffenbehörde deinen WBK-Antrag nicht verweigern. Für registrierungs-, aber nicht genehmigungspflichtige Schusswaffen der Kategorie C benötigst du in Österreich gar keine WBK. Nach ihrem Kauf musst du lediglich eine 3-tägige Abkühlphase abwarten. Dann darfst du sie aus dem Waffengeschäft mitnehmen darfst. Es sei denn, du kannst deine WBK bereits vorweisen.
RECHTSQUELLE: § 21 (1, 2) WaffG↗
„Die Behörde hat […] eine Waffenbesitzkarte auszustellen.“
„Die Behörde hat […] einen Waffenpass auszustellen.“
„Waffen & Munition sind getrennt voneinander aufzubewahren.“
FALSCH. Die getrennte Aufbewahrung von Waffen und Munition in Österreich ist wohl eine der berühmtesten Urban Legends. Hierzulande ist die Bereithaltung von genehmigungspflichtigen Schusswaffen der Kategorie B zur Selbstverteidigung in Wohn- oder Betriebsräumen sowie auf umfriedeten Liegenschaften ein gesetzlich anerkannter Rechtfertigungsgrund für den Waffenbesitz.
Das Bereithalten einer Schusswaffe zur Selbstverteidigung sagt implizit bereits aus, dass deine Waffe in diesen Bereichen geladen und schussbereit sein darf, solange du nur Unberechtigten keinen Zugriff darauf ermöglichst. Du darfst dir deine Waffe auch geladen in das Holster an deinem Gürtel stecken, solange du deine Wohn- oder Betriebsräume bzw. deine umfriedete Liegenschaft nicht verlässt; denn innerhalb dieser gilt das Beisichhaben deiner Schusswaffe nicht als waffenpasspflichtiges Führen.
RECHTSQUELLE: § 7 (2) WaffG↗ & § 22 (1) lit.1 WaffG↗
„Eine Waffe führt jedoch nicht, wer … „
„Ich darf mit meiner Waffe unter dem Kopfkissen schlafen, um mich gegen einen Einbrecher im Notfall verteidigen zu können.“
RICHTIG. In Österreich gibt es einerseits keine gesetzliche Verpflichtung, einen Waffenschrank für die Aufbewahrung deiner Schusswaffe zu verwenden. Andererseits ist die Bereithaltung zum Zwecke der Selbstverteidigung erlaubt. Nur, dass deine Waffe auf zumutbare Weise vor dem Zugriff durch Unberechtigte geschützt sein muss, ist vorgeschrieben. Auf welche Art und Weise du das bewerkstelligst, ist in Österreich grundsätzlich deine Entscheidung – aber auch deine Verantwortung.
Rechtsquelle: § 3 (1) 2. WaffV↗
„Eine Schusswaffe ist sicher verwahrt, wenn […].“
„Ich darf in meinem eigenen Garten schießen.“
RICHTIG. Allerdings ist das Gartenschießen mit großen Hürden behaftet. Eine konkrete gesetzliche Regelung, die das Schießen am eigenen Grundstück dezidiert erlaubt oder Bestimmungen vorgibt, existiert in Österreich nicht; vielmehr kommen sämtliche Gesetze gemeinsam zur Geltung und resultieren in den von dir zu treffenden Maßnahmen:
- das Waffenrecht (eigener Waffenbesitz und/oder Überlassung, zB an einen Kumpel)
- das Strafrecht (mögliche Umweltverschmutzung, Gefährdung, Drohung, …)
- das Eigentumsrecht (dein Grund und Boden ist kein rechtsfreier Raum)
- das Jagdrecht (evtl. Verdacht auf Wilderei)
- Verordnungen der Gemeinde hinsichtlich Lärmschutz
- uvm.
Als logische Konsequenz aus vielen Gesetzen ergibt sich für Österreich, dass deine Geschosse dein Grundstück nicht verlassen dürfen. Du brauchst also einen geeigneten Geschossfang. Auch sind Lärmschutz- und Umweltschutzbestimmungen einzuhalten: Jagst du über Jahre hinweg Diabolos mit deiner Luftdruckwaffe in das Erdreich, verursachst du einen Umweltschaden. Mit Ruhestörung und anderweitiger Lärmbelästigung machst du dir deine Nachbarn nicht zu Freunden; zudem solltest du dir sehr sicher sein, dass diese wegen deiner Schießübungen im Garten nicht die Polizei rufen. Als Waffenbesitzer ziehst du in vielen Fällen den Kürzeren, wenn andere sich gestört oder gefährdet fühlen.
RECHTSQUELLE: § 1 StGB↗
„Keine Strafe ohne Gesetz“ bedeutet:
Alles, was nicht ausdrücklich per Gesetz zu bestrafen ist, darf nicht bestraft werden.
Alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, ist (wenn auch mit vielen Abers) erlaubt.
„Aus Notwehr darf man auf Menschen schießen.“
RICHTIG. Wenn der Gebrauch deiner Schusswaffe diesen Menschen gegenüber in der jeweiligen Situation verhältnismäßig ist, darfst du im Sinne des Notwehrrechts auf Menschen schießen. Ob der Schusswaffengebrauch allerdings verhältnismäßig ist, entscheidet die richterliche Beurteilung des Einzelfalles.
RECHTSQUELLE: § 3 StGB↗
„Nicht rechtswidrig handelt, wer sich nur der Verteidigung bedient, […].“
Hinweis:
Entsteht dabei ein Kollateralschaden (zB weil das Geschoss den Getroffenen durchdringt, in der Hauswand eine Wasserleitung beschädigt und beim Nachbarn einen Wasserschaden verursacht – oder du deinen Nachbarn oder dessen Kind verletzt, weil das Geschoss die Wand auch noch durchschlägt), ist dieser Schaden nicht vom Notwehrparagrafen gedeckt. Auf Notwehr kannst du dich nur im Falle eines Angriffs auf deine notwehrfähigen Rechtsgüter berufen; dein Nachbar, der als Unbeteiligter vom Kollateralschaden betroffen ist, greift dich aber nicht an.
„Bevor ich aus Notwehr auf jemanden schieße, muss ich einen Warnschuss abgeben.“
FALSCH. Die Vorschrift, den eigentlichen Schusswaffengebrauch gegenüber Menschen mittels Warnschuss oder anderweitig anzukündigen, findet sich im Waffengebrauchsgesetz. Das Waffengebrauchsgesetz bezieht sich jedoch ausdrücklich auf den Waffengebrauch im Rahmen polizeilicher Zwangsbefugnisse. Notwehr ist jedermanns Recht; keine polizeiliche Zwangsbefugnis. Damit gehört die Pflicht zum Warnschuss bei Gebrauchmachung vom Notwehrrecht ebenfalls zu den Urban Legends.
RECHTSQUELLE: § 8 (1) WaffGebrG↗ & § 1 WaffGebrG↗
„Wenn ich eine Waffe erbe, darf mir der Staat mein Erbe nicht verwehren.“
FALSCH. Auch als Erbe bist du nicht von geltendem Recht befreit. Im Falle einer Waffen-Erbschaft musst du diese zunächst deiner zuständigen Waffenbehörde melden. Entweder veranlasst die Behörde die Sicherstellung dieser Waffen oder ihre vorläufige Beschlagnahmung. Nur, wenn du innerhalb von 6 Monaten ab Erwerb des Eigentums an den Waffen auch eine Berechtigung zu ihrem Besitz nachweist (bei genehmigungspflichtigen Schusswaffen entweder Waffenbesitzkarte oder Waffenpass), werden dir die Waffen ausgehändigt.
Kommt es dazu nicht oder trittst du das Erbe nicht an, geht das Eigentum der Waffen auf den Bund über. Die Waffen also einfach zu behalten, nur weil sie an dich vererbt wurden, ist nicht erlaubt. Zum Erwerb des Eigentums an der Waffe warst du aufgrund der Erbschaft zwar berechtigt, falls dein verstorbener Angehöriger dich nicht enterbt hat; für die Besitzberechtigung musst du folglich das WaffG einhalten (eine WBK beantragen), da diese Besitzberechtigung sonst nicht gegeben ist.
Auch, wenn du ein Waffenverbot hast, wird dieses nicht wegen deiner Erbschaft aufgehoben. Du kannst die Waffen aber (theoretisch) zwischenzeitlich einer anderen berechtigten Person überlassen und später, falls dein Waffenverbot irgendwann aufgehoben wird, versuchen, die Besitzberechtigung zu erlangen.
RECHTSQUELLE: § 43 WaffG↗
„Solange ich dabei bin, dürfen meine Freunde mit meiner Waffe schießen.“
FALSCH. Deine Freunde müssen jeweils für sich, wenngleich nur temporär oder aufgrund einer örtlichen Ausnahmebewilligung, zum Besitz der Waffe berechtigt sein, mit der du sie schießen lassen möchtest. Zunächst dürfen sie also kein Waffenverbot haben. Sind deine Freunde nicht zum Besitz der entsprechenden Waffe berechtigt, aus welchen Gründen auch immer, machst du sie zu illegalen Waffenbesitzern.
Möchten deine Freunde mit einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe schießen, benötigen Sie dafür eine ⇨ Waffenbesitzkarte oder einen Waffenpass; es sei denn, ihr befindet euch auf einem behördlich genehmigten Schießstand.
RECHTSQUELLE: § 6 (1) WaffG↗ & § 14 WaffG↗
„Als Besitz von Waffen und Munition gilt auch deren Innehabung.“
„Für die Benützung von Schusswaffen auf behördlich genehmigten Schießstätten sind die Bestimmungen über das Überlassen, den Besitz und das Führen von Schusswaffen […] nicht anzuwenden.“
„Beim Transportieren dürfen Dummy-Patronen im Patronenlager sein.“
FALSCH. Schusswaffen müssen beim rechtskonformen Transport vollständig entladen sein. Das Gesetz unterscheidet an dieser Stelle nicht zwischen scharfer Munition, Dummy-Patronen oder Spaghetti. Befindet sich etwas im Patronenlager, handelt es sich nicht mehr um einen Transport, sondern um ein waffenpasspflichtiges Führen der Schusswaffe.
RECHTSQUELLE: § 7 (3) WaffG↗
„Eine Waffe führt weiters nicht, wer sie – in den Fällen einer Schusswaffe ungeladen – […] bei sich hat (Transport).“
„Ich darf meine Waffe nur von daheim zum Schießstand & zurück transportieren.“
FALSCH. Das zählt ebenfalls zu den gerne und oft kommunizierten Urban Legends: Der Transport ist per Gesetz ausdrücklich „von einem Ort zu einem anderen“ erlaubt; das müssen nicht zwingend dein zu Hause und der Schießstand sein. Auch mit Zustimmung des zur Benützung Berechtigten einer anderen umfriedeten Liegenschaft darfst du auf bzw. innerhalb dieser deine Waffen bei dir haben, ohne dafür einen Waffenpass zu benötigen. Das geht allerdings nicht, wenn du sie nicht auch dort hintransportierst. 😉
RECHTSQUELLE: § 7 (2, 3) WaffG↗
„Wenn ich unterwegs ein Messer bei mir habe, darf die Klinge max. 12 cm lang sein.“
FALSCH. Diese Bestimmung gilt für Deutschland. In Österreich gibt es keine maximal erlaubte Klingenlänge.
Hinweis:
Die Debatte in Österreich über das geplante allgemeine Messertrage- bzw. Waffenverbot in der Öffentlichkeit ist mittlerweile eingeschlafen und es blieb lediglich bei einem Gesetzesentwurf. Dieser war derart komplex, dass eine Überarbeitung gefordert wurde – zu dieser kam es allerdings bisweilen (Stand: 02/2025) nicht.
„Wird mir der Führerschein entzogen, wird auch die Waffenbesitzkarte entzogen.“
BEDINGT RICHTIG. Prinzipiell kann dir durchaus, wenn der Führerschein entzogen wird, auch deine Waffenbesitzkarte entzogen werden, ganz egal, ob du bei deinem Verkehrsdelikt eine Waffe dabei hattest, oder nicht. Das ist jedoch stark abhängig vom Delikt und seinem Schweregrad, der Situation und ihrer Entwicklung. Wenn du beispielsweise öfter als zweimal wegen einer im Zustand der Trunkenheit begangenen schwerwiegenden Verwaltungsübertretung bestraft wurdest und diese Strafen nicht getilgt sind, wird dies auch deiner waffenrechtlichen Zuverlässigkeit angelastet.
RECHTSQUELLE: § 8 (5) lit 1 WaffG↗
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Stammtisch-Mythen & Urban Legends
„Kleinkaliber ist nicht tödlich.“
FALSCH. Fast jeder geht davon aus und doch gehört diese zu den gefährlichsten Urban Legends. Jedes noch so kleine Geschoss ist bei entsprechender Trefferlage tödlich. Für die Bemessung der Tödlichkeit ist in erster Linie nicht das Kalibermaß an sich relevant, sondern die Energie des Geschosses beim Auftreffen im Ziel und die Geschossbeschaffenheit (Form, Aufbau, Gewicht, Material …) in Kombination mit der Trefferlage (Weichteilgewebe oder lebenswichtige Organe).
„Schreckschusswaffen sind nicht gefährlich, erst recht nicht tödlich.“
FALSCH. Schreckschusswaffen können, insbes. aus nächster Nähe abgefeuert, schwere Verbrennungen verursachen, der Gasdruck kann innere Organe deformieren oder reißen lassen und sogar Knochen durchschlagen. Das Zerreißen der Lunge oder die Perforation der Herzwand können allein durch die Wirkung der Pulvergase bereits tödlich sein.
„Unter Wasser kann mich ein Projektil nicht verletzen.“
FALSCH. Wasser hat im Allgemeinen eine höhere Dichte als Luft. Das bedeutet, dass ein Geschoss unter Wasser stärker abgebremst wird und somit schneller an Energie verliert, als in der Luft. Auch das Flugverhalten (das Geschoss dreht sich unter Wasser mitunter) und die Reichweite sind erheblich eingeschränkt. Eine 9×19 mm Patrone, abgefeuert aus einer Walther P99, hat unter Wasser eine Reichweite von etwa 3 m, während die P11 von Heckler & Koch (7,62×39 mm), exklusiv für im Wasser operierende Spezialeinheiten gefertigt, eine Unterwasser-Kampfentfernung von 10 bis 15 m erreicht. Aus nächster Nähe ist ein Projektil also auch unter Wasser noch lebensgefährlich.
„Ein Streifschuss mit einem Hochgeschwindigkeitsgeschoss führt zu einem Gewebeschock.“
FALSCH. In diversen Foren finden sich zuhauf Diskussionen rund um Urban Legends wie den Gewebeschock. Der Begriff beschreibt ugs. den unmittelbaren, unausweichlichen Tod durch ein Hochgeschwindigkeitsgeschoss, der selbst im Falle eines Streifschusses an der kleinen Fingerspitze unweigerlich eintritt. Allerdings ist der Gewebeschock weder eine medizinisch anerkannte Schockform, noch ist sein Vorkommen beim Menschen eindeutig nachgewiesen. Ein Streifschuss allein ist auch mit einem Hochgeschwindigkeitsgeschoss nicht auf diese Art tödlich, solange nicht entweder lebenswichtige Organe oder Organteile verletzt werden oder ein entsprechend hoher Blutverlust gegeben ist.
„Mit einem Schalldämpfer ist jeder Schuss unhörbar.“
FALSCH. Zusätzlich zu einem Schalldämpfer muss auch die richtige Munition, nämlich Sun Sonic Munition (Unterschallmunition) verwendet werden. Auch ein schallgedämpfter Schuss ist nicht lautlos, da Schalldämpfer nur den Mündungsknall dämpfen; aber nicht den Anzündknall und auch nicht den Geschossknall von Überschallgeschossen. Urban Legends wie diese sind zu einem großen Teil auf die Filmindustrie zurückzuführen.
„Ich bin eine Frau, also brauche ich eine kleine, leichte Waffe.“
FALSCH. Gerade als Frau tust du dich anfangs mit schwereren Waffen oft leichter: Damen neigen bei den ersten Versuchen dazu, die Waffe etwas zögerlich und zu locker zu halten, was bei leichten Waffen häufiger zu Fehlfunktionen führt. Schwerere Waffen kompensieren diesen Schützenfehler durch ihr höheres Eigengewicht – und du kannst (auch bei stärkerem Kaliber) den Rückstoß besser kontrollieren.
„Mit Schusswaffen im Haushalt bin ich sicher.“
FALSCH. Um ehrlich zu sein, bin ich unschlüssig, ob ich diesen Glauben den Urban Legends zuordnen möchte, oder doch eher dem einfachen Irrglauben. Du magst dich zwar subjektiv mit einer Waffe sicher fühlen, bist es aber nicht tatsächlich, vor allem nicht ohne fundierte Ausbildung im Schießen und im Notwehrrecht. Ein Gegenstand mehr oder weniger zu Hause ändert nichts an deiner tatsächlichen Sicherheitssituation. Gerade eine Schusswaffe könnte sie sogar noch verschlimmern, wenn beispielsweise jemand Unberechtigtes darauf Zugriff hat. Kriminelle könnten deine eigene Waffe auch gegen dich einsetzen. Oder ein Familienmitglied ohne Wissen um den sachgemäßen Umgang damit. Bist du der Ansicht, du bist mit einer Schusswaffe im Haushalt sicher, absolviere bitte ein ⇨ Schießtraining mit Schießtrainer. Nur mit einer gesunden und sicheren Handhabungsroutine kann dir deine Schusswaffe im Ernstfall zumindest ansatzweise etwas nützen; eine Garantie ist aber auch eine Ausbildung im Verteidigungsschießen nicht.
„Beim Verteidigungsschießen ist Präzision nicht von Bedeutung – es zählt nur die Mannstoppwirkung.“
BEDINGT RICHTIG. Zunächst hat die Mannstoppwirkung im Notwehrfall Priorität gegenüber der Präzision. Mannstopwirkung erreichst du u. a. durch hohen Blutverlust am Provokateur. Nun bestünde theoretisch die Chance, diesen Blutverlust durch das Leerfeuern eines 17-schüssigen Glock-Magazins zu erreichen – je weniger genau der 1. Treffer sitzt, desto mehr Schüsse brauchst du. Das bringt Probleme mit sich.
Du wirst dich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vor einem Richter rechtfertigen müssen, wieso du 17 Schüsse auf 1 Person abgefeuert hast. Und du musst die Kollateralschäden bedenken. Jeder abgegebene Schuss mehr ist auch ein potenzieller Kollateralschaden mehr, für den du geradestehen musst. Auch mit wenigen Schüssen ist eine gute Mannstoppwirkung zu erreichen; je weniger Schüsse, desto weniger Diskussionspotenzial.
„Kleine Waffen haben einen gewaltigen Rückstoß.“
BEDINGT RICHTIG und ausnahmsweise nicht zu den Urban Legends gehörend: Die gefühlte Rückstoßstärke ist immer abhängig vom Gewicht der Waffe und der Munition. Je kleiner die Waffe ist, desto leichter ist sie üblicherweise, denn umso weniger Material ist vorhanden. Je größer sie ist, desto mehr Material, desto schwerer wird sie. Der Rückstoß der meisten kleinen Waffen mit Standardkalibern wie 9×19 mm und aufwärts ist daher deutlich stärker zu spüren als der Impuls einer .22 lr Patrone im selben Waffenmodell.
„Wenn meine Treffer mit der Kurzwaffe zu tief liegen, muss ich einfach nur die Waffe weiter nach oben halten.“
FALSCH. Damit schummelst du dich zwar durch dein Problem hindurch, du löst es aber nicht. Außerdem kann eine zu tief (oder zu hoch) gehaltene Waffe auf bestimmte Distanzen zu schweren Beschädigungen an der Schießanlage führen, wenn du die Ballistik nicht berücksichtigst. Sind deine Treffer zu tief, eigne dir zunächst eine ordentliche Schießtechnik und die korrekte Verwendung deiner Visierhilfe an und löse das Problem nachhaltig; hältst du die Waffe einfach nur weiter nach unten oder nach oben, hast du dasselbe Problem mit jeder neuen Waffe, die du in die Hand bekommst. Bedienst du Kimme und Korn bei einer Waffe richtig, tust du es im Regelfall auch bei allen anderen – und lernst, mit jeder Waffe und jedem Rückstoß zu treffen.
„Wenn ich auf den Tank eines Autos schieße, explodiert das Auto.“
FALSCH. Für die Explosion eines Treibstofftanks muss – zusätzlich zum auslösenden Funken – ein bestimmtes Verhältnis von Treibstoff und Luft gegeben sein, das zumindest mit einem vollen Tank nicht zu erreichen ist. Zum Teil ist dies aber auch abhängig von der Munition: Explosivgeschosse (Privatbesitz verboten) explodieren für sich beim Auftreffen im Ziel und können den Treibstoff unter Umständen entzünden.
„Das Zielfernrohr muss mind. so teuer sein, wie die Waffe ist, zu der es gehört.“
FALSCH. Das ist eigentlich metaphorisch gemeint und soll soviel bedeuten wie: „Spare nicht am falschen Ende“ oder „Wer billig kauft, kauft doppelt“. Hintergrund dieser Behauptung ist, dass das Glas in deinem Zielfernrohr den Rückstoßimpuls der Waffe aushalten muss, auf der es zum Einsatz kommt. Kaufst du ein Zielfernrohr mit Glas für eine .22 lr Büchse und verwendest es auf einer leichtgewichtigen Langwaffe mit starkem Kaliber kann das Glas schon nach wenigen Schüssen Schaden nehmen. Das muss aber nicht zwingend bedeuten, dass das Zielfernrohr auch genauso teuer sein muss, wie die Waffe (Stichwort: Black Friday, Gutscheine, Rabatt …).
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Fakten-Check
Wenn du bei Stammtisch-Gesprächen etwas Neues hörst, solltest du immer recherchieren, wie hoch der Wahrheitsgehalt dahinter ist. Auch wenn deine Schützenkameraden vermutlich deine erste Bezugsquelle von Neuigkeiten sind, solltest du dem allgemeinen Waffenrecht als Quelle der Informationen Vorrang geben. Als zweite seriöse Informationsquelle empfehle ich Behörden wie deine zuständige Waffenbehörde oder polizeiliche Waffenreferate und gerichtlich beeidete Sachverständige, dicht gefolgt von Unternehmern, die aufgrund ihrer Haftung mit einem großen Plus an Fachkompetenz aufwarten müssen.
Schießsportverbände und Vereine können dir insbes. dann weiterhelfen, wenn du Fragen zu Wettkämpfen oder konkreten ⇨ Schießdisziplinen hast. Wissenschaftliche oder kriminaltechnische Institute wiederum, wenn dein Forschergeist erwacht und du dich einem Thema wissenschaftlich widmen möchtest.
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