Die häufigsten Fehler & Herausforderungen beim Schießen
mit Faustfeuerwaffen
In letzter Zeit war ich des Öfteren mit Fragen zum Thema Schießtechnik konfrontiert. Und mit der Unzufriedenheit der Schützen und Schützinnen mit dem eigenen Trefferbild. Aus gegebenem Anlass möchte diesmal die häufigsten Fehler beim Präzisionsschießen mit Kurzwaffen beleuchten – und hoffe, damit das ein oder andere Problem meiner Schützlinge, ob Neuling oder fortgeschritten, nachhaltig zu lösen. 🙂
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#1 Lebensgefährlicher Fehler:
Die Sicherheitsregeln im Umgang mit Schusswaffen nicht einhalten.
Ganz allgemein betrachtet sind Fehler gerade beim Einstieg in den Schießsport oder den Waffenbesitz ganz normal. Ich selbst erachte sie aus Trainerperspektive sogar als wünschenswert, denn nur, wer Fehler macht, kann auf diese auch aufmerksam gemacht und sensibilisiert werden. Das Hauptproblem bei Fehlern im Umgang mit Schusswaffen ist: Sie sind lebensgefährlich.
Die berühmten Sicherheitsregeln im Umgang mit Schusswaffen nicht einzuhalten, bedeutet, dass du deine Waffe auf etwas richtest, das vom Geschoss eigentlich nicht getroffen werden soll. Oder noch schlimmer: auf „jemanden“. Oder es bedeutet, dass dein Abzugsfinger sich am Abzug befindet, obwohl du gerade gar keinen Schuss abgeben willst. Ob nun mit Absicht, aus Nachlässigkeit oder ob es wirklich ein unabsichtliches „Hoppala“ ist, ist dabei einerlei; die daraus resultierende Gefahr ist dieselbe. Sowohl eine einzige dieser Regelverletzungen als auch beide gemeinsam basieren unweigerlich auf einem weiteren Sicherheitsverstoß: Du hast die Schusswaffe nicht als geladen angesehen und bist auch nicht entsprechend mit ihr umgegangen.
Verstöße gegen die Sicherheitsregeln haben aber noch ein weiteres Problem, nämlich ein rechtliches: Wer mit Schusswaffen unvorsichtig umgeht oder sie leichtfertig verwendet, ist nach § 8 (1) Z 1 & 2 WaffG nicht verlässlich!
Ursachen & Korrektur
Dieser Fehler hat bereits eine Menge Menschenleben gekostet. Zurückzuführen ist er meist auf Unwissenheit und unzureichende (Grund)Schulung, Überforderung bzw. Stress, eine mangelnde bzw. falsch angelernte Routine (etwa durch unregelmäßiges/falsches Training), zu wenig Selbstdisziplin am Schießstand oder schlicht Nachlässigkeit. Auf absichtliche Regelverletzungen in Form einer Straftat möchte ich nicht näher eingehen, wir kümmern uns um die unabsichtlichen, echten Fehler, die selbst dem vernünftigsten Waffenbesitzer passieren können und werden.
Während sich an Unwissenheit, Stress, Überforderung und der Routine prinzipiell effektiv arbeiten lässt, ist das Wegtrainieren von Nachlässigkeit und die Erlangung einer angemessenen Selbstdisziplin eine deutlich größere Herausforderung. Nachlässigkeit und auch ihre genauen Gegenteile (Eigenverantwortung & Selbstdisziplin) sind nämlich eine Frage deiner inneren Einstellung. Eruiere und überprüfe dich selbst: Wie oft ertappst du dich bei Gedanken wie „Ist doch egal“ oder „Wird schon nichts sein“? Derartige Gedanken im Umgang mit Schusswaffen sind ein schweres Indiz für Nachlässigkeit, wenngleich diese Nachlässigkeit nicht beabsichtigt ist. Vielleicht kennst du es nicht anders, bist es so gewohnt, vielleicht hat dein Schießtrainer dir die Einhaltung der Sicherheitsregeln nicht konsequent genug beigebracht.
Alles, was du mit deiner Waffe tust (oder nicht tust) obliegt allein deiner Verantwortung als ihr Besitzer. Aus neurologischer Sicht ist jede Form von Veränderung mit einer gewissen mentalen (manchmal auch körperlichen) Anstrengung verbunden. Das ist einer der Gründe, warum der Mensch naturgemäß selten bis nie etwas an seinem Verhalten, seinen Gewohnheiten verändert. Das ist genauso normal wie Fehler zu machen. Aber ich appelliere eindringlich: Bitte sei bei der Einhaltung der Sicherheitsregeln kompromisslos und bestrebt, möglichst keine zu machen. Der beste Weg, Fehler zu vermeiden, ist, dir bewusst zu machen, dass sie dir irgendwann passieren werden. Setze dein Tunlichstes daran, dass dieses „irgendwann“ erst möglichst spät und möglichst nie eintreten wird.
Tipp von deiner Schießtrainerin:
Beobachte dich beim Schießen: Wie oft verstößt du gegen eine der Cooper-Regeln? Und wie reagierst du darauf? Damit sensibilisierst du dich selbst: Korrigierst du dich, indem du beispielsweise den Lauf der Waffe sofort wieder in die sicherste Richtung zeigen lässt, zeugt dies von Eigenverantwortung und Selbstdisziplin. Arbeitest du hingegen ungehemmt weiter und denkst dir nichts dabei, bist du, was die Einhaltung der Sicherheitsregeln betrifft, nachlässig und stellst eine bewaffnete Gefahr für alle Anwesenden dar.
Fehler passieren. Entscheidend ist, wie du mit ihnen umgehst. Das Auswendiglernen der Sicherheitsregeln genügt in der Theorie; aber nicht in der Praxis am Schießstand. Sie müssen zur gelebten Mentalität werden. Nimmst du einen Akkubohrer mit ausgestrecktem Zeigefinger in die Hand, ohne ihn auf eine Person zu richten oder hältst deinen Haarföhn mit ausgestrecktem Abzugsfinger ganz ohne Nachdenken von deinem Partner weg, dann hast du verstanden, worum es hier geht.
#2 Klassischer Anfängerfehler:
Das berühmte „Mucken“.
Schießt du mit einer bestimmten Waffe zum ersten Mal, ist der erste Schuss immer eine Überraschung. Der erste Rückstoßimpuls kann manchmal erschreckend wuchtig sein. Wenn dein Körper (Nerven, Muskulatur) aber einmal weiß, welche Waffe mit welcher Munition ungefähr Energie produziert, neigt er dazu, diesen Rückstoßimpuls kompensieren zu wollen. Das geschieht mehr oder weniger unbewusst: Nach dem ersten Schuss richtest du Kimme und Korn zwar vielleicht noch korrekt aus, aber dein Körper erwartet den Schuss; mental sowie muskulär. Du weißt genau, die Waffe schlägt gleich nach oben, wenn es „peng“ macht. Also kippst du sie im Moment der Schussabgabe etwas nach unten, um den Hochschlag der Waffe zu reduzieren. Und triffst … nach unten.
Ursachen & Korrektur
Das Mucken ist ein Einknicken deiner Handgelenke nach unten im Augenblick der Schussabgabe und tritt vor allem bei Neueinsteigern auf. Rechtshänder schießen mit der Kurzwaffe anfangs meist nach links-unten; Linkshänder tendenziell eher nach rechts-unten. Ausgelöst wird das Mucken durch eine unbewusste Schussangst. Das ist eine reine Kopfsache und lässt sich nur durch regelmäßiges (korrektes) Training abtrainieren: durch die Gewöhnung an den Reiz, genannt Schussknall.
Der Vorteil:
Unser Organismus gewöhnt sich automatisch an gewisse Dinge. Die Gewöhnung setzt nach einer Zeit von alleine ein, aber nur, wenn du dich regelmäßig diesem Reiz aussetzt und nur, solange der Organismus keine negative Konsequenz durch diesen Reiz erfährst.
Der Nachteil:
Unser Organismus gewöhnt sich auch dann (und überraschend schnell) an etwas, das wir uns falsch antrainieren; er gewöhnt sich binnen kurzer Zeit also beispielsweise an das Mucken und irgendwann, sobald das Muskelgedächtnis mitspielt, ist das Abtrainieren eine enorme Herausforderung. Daher sind in der Anfangsphase das regelmäßige Training (mind. 1x pro Woche, 30 – 60 Minuten, für ca. 2 – 3 Monate) und dass dir dabei ein Trainer im wahrsten Sinne des Wortes über die Schulter schaut von enormer Wichtigkeit. Du selbst spürst das Mucken nämlich gar nicht, wenn du nicht penibel darauf geschult bist. Oder du bemerkst es, aber reagierst zu spät. Dein Schießtrainer sorgt dafür, dass du rechtzeitig reagierst (er sieht es kommen, bevor du es spürst). So lernst du, deiner Muskulatur das Abknicken der Handgelenke zu unterbinden und gewöhnst dir eine für das Trefferbild förderliche Waffenhandhabung an. Wenn du dich dem regelmäßig aussetzt.
Tipp von deiner Schießtrainerin:
Lass dir parallel zum Schießtraining am Schießstand eine Einschulung in das Trockentraining mit Dummy-Rounds geben: Im Trockentraining kannst du dir das Mucken auch zu Hause abtrainieren, ohne dafür eigens einen Schießstand aufsuchen zu müssen.
Aber:
Du musst ganz genau wissen, was du trainierst und worauf du achten musst, denn zu Hause ist kein Schießtrainer anwesend. Meine Empfehlung ist eine eigene Trockentrainingseinheit am Schießstand: Innerhalb einer Stunde zeigt dir dein Schießtrainer, wie du Dummy-Rounds zu Hause sicher und effektiv verwendest und worauf du – in DEINEM ganz konkreten Fall, basierend auf DEINEN Schießfehlern – achten musst.
#3 Häufiger Fehler am Schießstand:
Die Waffe zu fest oder zu locker halten.
Schießen ist Physik pur. Jede noch so kleine Kleinigkeit hat Einfluss auf zig andere Kleinigkeiten. Du als Schütze fungierst beim Schießen als physikalische Größe, genannt Masse: Schon dein individuelles Körpergewicht hat Einfluss auf das subjektive Empfinden des Rückstoßes (angenehm/unangenehm, stark/schwach). Auch die Muskelkraft spielt mit, denn über die Muskelspannung überträgst du beispielsweise zusätzlich erzeugte Kraft auf deine Waffe, die du mit dem Körpergewicht alleine nicht aufbrächtest.
Diese erzeugbare Muskelkraft ist bei jedem Schützen unterschiedlich stark oder schwach ausgeprägt. Hältst du deine Waffe (konkret eine Pistole) zu locker, kann es immer wieder zu Störungen beim Nachladen kommen; im Extremfall bei jedem einzelnen Schuss. Hältst du sie aber wiederum zu fest, verspannt deine Muskulatur und du beginnst zu zittern, wodurch Kimme und Korn nicht stabil im Zentrum deiner Zielscheibe liegen. Wann ein Griff zu locker oder zu fest ist, hängt wiederum ab vom Eigengewicht der Waffe. Ergo: Du lernst mit jeder Waffe das Schießen neu.
Ursachen & Korrektur
Körpergewicht und Muskelkraft sind erhebliche Einflussfaktoren, die bestimmen, wie fest oder locker du die Pistole beim Schießen überhaupt halten kannst. Der Haken: Diese Faktoren sind variabel. Du kannst an Körpergewicht zunehmen oder verlieren, selbiges gilt für die von dir erzeugbare Muskelkraft. Beides kann aus den verschiedensten Gründen auch überdurchschnittlich hoch oder niedrig sein (Bodybuilding, chronisches Unter- oder Übergewicht …). Jedes Mal, wenn sich die von dir aufbringbare Muskelkraft verändert (wenn du beim Schießen also einmal mehr Kraft aufbringen kannst und einmal weniger), beeinflusst das unweigerlich deine Grifffestigkeit und folglich die Funktionalität bestimmter Waffen (und das Trefferbild).
Richtwert:
Leichte Polymerpistolen (zB von Glock) benötigen einen vergleichsweise festen Griff; Vollstahlwaffen, wie gerne bei der Systematik der 1911er der Fall, bringen ein höheres Eigengewicht mit und gleichen diese natürliche, individuell ausgeprägte Schützenschwäche aus. Daher eignen sich bestimmte große und schwere Pistolen vor allem für Personen mit wenig Körpergewicht und Muskelkraft. 😉
Tipp von deiner Schießtrainerin:
Eine echte Korrektur ist nicht möglich, da sowohl Körpergewicht als auch Muskelkraft schier unendlich variabel sind. Sie können sich von einem Tag auf den anderen nach oben wie nach unten hin verändern. Fängst du einmal damit an, würdest nur noch hin und her korrigieren und hättest kaum die Möglichkeit, dich auf das Schießen selbst zu konzentrieren. Allerdings kannst du hinsichtlich der Kaliber- und Waffenwahl eine gewisse Schwankung dieser Faktoren berücksichtigen: Wenn du weißt, dass dein Körpergewicht und/oder deine Muskelkraft inkonsistent sind, wähle Waffenmodell und Kaliber, deren Kombination sowohl einen zu lockeren als auch einen zu festen Griff bis zu einem gewissen Grad verzeiht. Falls du mit dem Gedanken spielst, dir irgendwann eine eigene Schusswaffe anzuschaffen, wirf gerne einen Blick in diesen Beitrag: Waffenkauf – ein Ratgeber. Hier wird etwas detaillierter auf das Verhältnis von Körpergewicht, Muskelkraft, Rückstoß und Waffenfunktionalität eingegangen.
#4 Falsch interpretierter Schützenfehler:
Eine instabile Körperhaltung.
Die zuvor genannte Muskelkraft und das Körpergewicht haben auch massiven Einfluss auf die Stabilität deines Körpers im stehend freien Anschlag. Durch den richtigen Stand (Beinposition, Muskelspannung, Neigung des Oberkörpers …) erreichst du eine bessere Stabilität. Diese erkennst du am deutlichsten während des Zielens mit der Kurzwaffe: Schaffst du es, Kimme und Korn gut in der Mitte deiner Scheibe zu positionieren, ohne dass diese ihre Lage (merklich, stark) verändern, zeugt das von einem stabilen Stand. Bewegen sich die Elemente deiner Visierhilfe aber in alle möglichen Richtungen, fehlt es dir an Körperspannung und das Zielen sowie das Treffen werden massiv erschwert, die Schussabgabe erfolgt unkontrollierter.
Ursachen & Korrektur
Auch diese Instabilität kann durch suboptimale körperliche Befindlichkeiten begründet sein. So stehen Schützen beispielsweise fester und stabiler, wenn diese ein gesundes Körpergewicht aufweisen oder den ein oder anderen Kilo mehr haben. Menschen mit Untergewicht hingegen leiden tendenziell eher unter einer Instabilität, können diese aber durch begleitendes Krafttraining eliminieren. Jedoch kann die Instabilität des Körpers auch nur eine temporäre Erscheinung sein, etwa weil der Kreislauf schlappmacht (kann beim Schießen ebenso passieren wie beim Autofahren und allen anderen Aktivitäten). Bei Unter- oder Überzuckerung oder einer Überdosis Koffein neigt der Körper beispielsweise auch zum Zittern, was konkret eine Instabilität der Hände und Handgelenke indiziert; ein instabiler Oberkörper schwankt eher stärker, sofern du nicht gerade im Winter auf einer Outdoor-Schießanlage stehst.
Tipp von deiner Schießtrainerin:
Um eine instabile Körperhaltung zu beheben, musst du ihre Ursache kennen. Deinen Körper kennst du selbst am besten: Beobachte, ob und unter welchen Umständen du zur Instabilität neigst. Was passiert, wenn du vor dem Schießen Kaffee trinkst oder etwas isst? Was passiert, wenn du das nicht tust? Achte eine Zeit lang auf dein Körpergewicht und wenn du Krafttraining machst, überprüfe immer wieder deine eigene Kraft. Wie du bereits weißt, hat dieser variable Faktor auch Einfluss auf das Trefferbild und die Funktionalität deiner Pistole.
ERGO:
Häufige Fehlfunktionen an deiner Pistole, die vorher bei Verwendung derselben Waffe nicht da waren (et vice versa), sind nicht zwingend ein Waffen- oder Munitionsfehler, sondern auch ein Indiz für eine Veränderung deiner Kraftaufbringung und/oder deines Körpergewichts!
#5 Oft übersehener Schieß- & häufiger Anfängerfehler:
Kimme & Korn nicht korrekt ausrichten.
Die korrekte Ausrichtung von Kimme und Korn ist die absolute Basis des Schießens mit allen Kurzwaffen, die über diese Form der offenen Visierung verfügen. Alles andere, etwa die Körperhaltung, Atemtechnik, Griff der Waffe etc. baut sich um die korrekte Verwendung von Kimme und Korn herum auf. Die beste Körperhaltung und die stabilste Haltung deiner Waffe nützt dir nämlich nichts, wenn du deine Waffe nicht gerade zum Ziel ausrichtest; und genau das verraten dir Kimme und Korn. Allerdings ist „korrektes Zielen“ immer relativ; bestimmte Kimme-Korn-Ausrichtungen, die von der „Norm“ abweichen, sind nämlich nicht immer zwingend ein Fehler, sondern können unter Umständen sogar nützlich sein.
Gehen wir von einer Standardwaffe im Standardkaliber aus: Glock 17 Gen 5 im Kaliber 9×19 mm. Beim Zielen mit Kimme und Korn gilt das Wasserwaagenprinzip. Im Idealfall ist deine Waffe auf Fleck eingeschossen. Das bedeutet, dass dort, wo Kimme und Korn (mit seinem farbigen Punkt, falls vorhanden) auf der Zielscheibe aufliegen, auch der Treffer landet. Für das korrekte Zielen richten wir beide Elemente zunächst grob nach folgender Skizze aus:

Was das Lehrbuch zu Kimme & Korn sagt
Die beiden Oberkanten von Kimme (hinten, breit, 2-teilig) und Korn (vorne, schmal, 1-teilig) schließen auf der horizontalen Mittelachse der Zielscheibe als gerade Linie miteinander ab. Zugleich liegt das Korn ähnlich dem Luftbläschen einer Wasserwaage mittig zwischen den inneren Kimmenblöcken (Markierungslinien der Wasserwaage). Die gelb markierten Lichtspalten links und rechts vom Korn sind auf beiden Seiten gleich breit. Nun weißt du zwei Dinge: Die gerade abschließenden Oberkanten sagen dir, dass deine Pistole höhenmäßig gerade zum Ziel ausgerichtet ist; die gleichgroßen Lichtspalten, dass sie weder nach links noch nach rechts verzogen ist.
Nun ist aber noch ein Teil des 10er-Rings der Zielscheibe über dem Korn zu sehen. Das gehört korrigiert: Die gerade horizontale Oberkante von Kimme und Korn behältst du als gerade Linie bei. Das Korn darf die Kimme nicht überragen und die Kimme auch das Korn nicht. Jetzt gehst du nach Gefühl vor und manövrierst sowohl Kimme als auch Korn gemeinsam so nach oben, dass der farbige Punkt des Korns den 10er-Ring abdeckt – und Kimme-Korn trotzdem als gerade Linie abschließen. Und Schuss.
Ausnahmefälle
Die beschriebene Vorgehensweise stellt den optimalen Standardfall einer auf Fleck eingeschossenen Waffe im 9 mm Kaliber dar. Bedenke bitte, dass unterschiedliche Geschosstypen (zB Kleinkalibergeschosse im Kaliber .22 oder Diabolos für Druckluftwaffen) ein gänzlich anderes aerodynamisches Verhalten zeigen. Einige Waffen sind ab Werk nicht auf Fleck eingeschossen, sondern aufgesetzt; das bedeutet, dass beim Zielen über Kimme und Korn der Spiegel (der schwarze Bereich der Zielscheibe) auf der offenen Visierung oben aufliegen soll, anstatt mit ihr den 10er-Ring zu bedecken.
#6 Kein Fehler, aber eine Herausforderung beim Schießen:
Der falsche Fokus.
Dein Schützenauge funktioniert wie ein Kameraobjektiv: Innerhalb eines bestimmten Bereiches und auf bestimmte Distanzen sehen wir scharf, außerhalb dieses Bereiches und dieser Distanz verschwommen. Der Mensch ist bis zu einem gewissen Grad in der Lage, die Brennweite seiner körpereigenen Objektive zu verändern bzw. anzupassen. Aber der Mensch wäre nicht Mensch, wäre er unfehlbar: Mehrere Distanzen gleichzeitig kann das Auge nämlich nicht scharfstellen. Beim Zielen mit der Faustfeuerwaffe hast du nun 3 Möglichkeiten: Entweder siehst du das Ziel scharf, das Korn oder die Kimme.
Schießt du mit einem geöffneten Auge (beim Einstieg in den Schießsport zu empfehlen, da es am einfachsten umzusetzen ist), ist das Korn scharfgestellt. Schießt du mit beiden Augen offen (im Verteidigungsschießen unverzichtbar, da ein geschlossenes Auge dir 50 % deines Sichtfeldes nimmt), ist das Ziel scharfgestellt und es wird im Regelfall intuitiver geschossen als im Präzisionssport. Je nach Situation kann das Schießen mit beiden Augen ratsamer sein, aber ein Richtig oder Falsch gibt es hier eigentlich nur hinsichtlich der Verwendung des dominanten Auges. Dieses übernimmt beim Zielen nämlich die hauptsächliche Arbeit. Verwendest du dein nicht-dominantes Auge, kommt es zu einem Versatz deiner Treffer um gute 4 – 5 cm nach links oder rechts. (Anm.: Eine etwaige Sehschwäche und ihre Dioptrien geben keine Auskunft darüber, ob ein bestimmtes Auge dominant ist.)
Tipp von deiner Schießtrainerin:
Das Fokussieren ist nur eine Frage des Lernens und Angewöhnens bzw. sobald du beides beherrscht, eine Frage der Schießdisziplin und deiner persönlichen Vorzüge. Nutze eine Trainingseinheit, um die Fähigkeiten deiner Augen mal richtig kennenzulernen. Du wirst rasch merken, welche „Brennweite“ unter welchen Umständen einerseits am angenehmsten ist und andererseits auch zu einem besseren Trefferbild beiträgt; und wann es sinnvoller ist, mit einem Auge geöffnet zu schießen und wann mit zweien.
#7 Unvermeidbar:
Bewegungsübertragung auf die Waffe.
Jede Art von Bewegung, die du beim Schießen auf die Waffe überträgst, wirkt sich auf Waffe, Geschoss und Trefferlage aus. Bewegung kann durch einen schwankenden Oberkörper gegeben sein (siehe Fehler #5: die instabile Körperhaltung), aber auch durch die Atmung (Heben und Senken des Brustkorbs samt Schulterpartie) oder durch Zittern. Bei besonders leichten Waffen ist der Puls nicht zu unterschätzen. Der Herzschlag selbst wirkt sich nur indirekt aus, vielmehr ist die Folge des Herzschlags interessant: Mit jedem Puls wird Blut durch den Körper gepumpt. Bis in die Zeigefingerspitze. Wenn du bei einer extrem leichten Waffe genau in diesem Bruchteil einer Sekunde den Schuss auslöst, wenn das Blut in der Zeigefingerspitze ankommt, ist dies ein zusätzlicher kleiner Impuls, der auf die Waffe übertragen wird. Je leichter die Waffe und je stärker der Impuls auf sie wirkt (etwa bei erhöhtem Puls aufgrund von Nervosität), desto stärker wirkt er sich aus.
Ursachen & Korrektur
Auch die bestmögliche Vermeidung der Bewegungsübertragung setzt voraus, dass dir die Ursache der Bewegung bekannt ist. Zittern kann beispielsweise auf die unterschiedlichsten Ursachen zurückzuführen sein: zu viel Kaffee, zu wenig oder zu viel Zucker, Kälte, eine Parkinson-Erkrankung oder auch Angst vor dem Kontakt zur Schusswaffe. Angst wirst du aber nicht los, indem du auf Kaffee verzichtest oder eine Jacke anziehst. Generell kann nicht jede Art von Bewegungsübertragung einfach ausgeschaltet werden: Während du beim Schießen die Luft temporär anhalten kannst, ist das beim Herzschlag einerseits unwahrscheinlich und andererseits nicht zu empfehlen.
Tipp von deiner Schießtrainerin:
Zerbrich dir nicht unnötig den Kopf, vor allem nicht, wenn du gerade vor deinen ersten Schießtrainings stehst. Einige Formen der Bewegungsübertragung auf die Waffe verschwinden im Laufe der Zeit von selbst, sobald du dich an Waffe, Rückstoß und Lärm gewöhnt hast. Mit der Gewöhnung verschwinden auch anfängliche Ängste und Unsicherheiten und eine sichere Routine stellt sich ein. Damit das gelingt, musst du dich diesem Reiz, wie eingangs erwähnt, mental wie physisch regelmäßig aussetzen. Das heißt: Regelmäßig schießen gehen, dir dabei von jemandem deine Fehler aufzeigen lassen und es besser machen, dich immer wieder selbst korrigieren. Nach ein paar Wochen hast du dir eine optimierte Waffenhandhabung und ein zufriedenstellendes Trefferbild angeeignet, zitterst nicht mehr und durch den Kraftaufbau ist auch dein Körper stabiler.
#8 Teurer Fehler:
Experimentieren ohne Plan und Ziel.
… kostet nicht nur Zeit, sondern auch teures Lehrgeld. Bevor du dich planlos mit deiner vielleicht noch neuen Schusswaffe an den Schießstand stellst und Unmengen an Munition vergeudest (für etwas, das dir dein Schießtrainer binnen weniger Minuten beibringen oder erklären kann), investiere dein Geld biete lieber in ein Schießtraining. Es bringt dich schneller voran, löst deine Probleme viel nachhaltiger als eigene Experimente auf gut Glück und du bezahlst für ein effektives Training, selbst wenn es überteuert ist, immer noch deutlich weniger als für 5 Experimente am Schießstand, die vielleicht erfolglos ausgehen: 5 Gründe für einen professionellen Schießtrainer
#9 Der beliebteste aller Schützenfehler:
Der Visierhilfe die Schuld am Trefferbild geben.
Naturgemäß neigt der Mensch dazu, sich das Leben möglichst einfach und komfortabel zu machen. Mit möglichst wenig Aufwand möchte er möglichst viel möglichst gut erreichen. Daran ist normalerweise auch nichts auszusetzen. Wenn aber das Leben und die Sicherheit anderer Personen darunter leidet, dann schon.
In meinen 10 Jahren als Waffenbesitzerin habe ich noch nie eine Neuwaffe von einem Händler erworben, bei welcher die Kimme hätte nachgerüstet werden müssen. Stehst du gerade am Anfang deiner Sportschützenkarriere und hast gerade deine ersten Schießtrainings absolviert, fehlen Routine und Praxiserfahrung. An dieser Stelle ergeht ein weiterer Appell an dich: Bitte nicht in Eigenregie mit Basteleien an deiner Visierhilfe anfangen.
Ursachen & Korrektur
Wenn dein Trefferbild in deinen ersten Trainings oder mit einer neuen Waffe anfangs nicht passt, handelt es sich mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht um eine verstellte Kimme. Fehler wie die nicht optimale Ausrichtung von Kimme und Korn sind viel wahrscheinlicher. Auch die fehlende Gewöhnung deines Körpers an die noch neue Waffe und ihren spezifischen Rückstoß spielt eine Rolle.
Solange du einen Schützenfehler nicht zu 100 % ausschließen kannst (selbst ich tue das nur, wenn ich einen anderen Schützen hinter mir stehen habe, der mich beobachtet), belasse die Kimme bitte, wie sie ab Werk adjustiert ist. Denn falls deine Streuung oder die Trefferlage auf einen Schützenfehler zurückzuführen ist, und das ist in 99 % aller Fälle so, dann löst sich dieser Schützenfehler nicht in Luft auf, nachdem du die Kimme verstellt hast. Im Gegenteil: Der Fehler, den du machst, machst du weiterhin. Und er kommt mit jeder neuen Waffe wieder neu auf, die du dann wieder verstellst. Und die nächste verstellst du wieder.
Verstellte Visierhilfen können, gepaart mit einer mangelnden Ziel- und Trefferkompetenz des Schützen, einen horrenden Sachschaden verursachen und Leben gefährden: Deine Geschosse hören nämlich nicht bei deiner Zielscheibe auf 7 m auf, zu fliegen, sondern fliegen weiter, bis sie auf ein Hindernis stoßen (Geschossfang) oder die Schwerkraft siegt. Zielst du falsch (zB durch das Verziehen des Korns nach links oder rechts) und verstellst die Kimme, um deinen Fehler zu kaschieren, anstatt deine Waffenhandhabung zu optimieren und Kimme und Korn korrekt auszurichten. Zwar wirst DU mit DIESER Waffe besser treffen. Ein ANDERER Schütze aber, der die offene Visierung KORREKT verwendet, schießt mit der verstellten Kimme daneben. Die Schießanlage kann dadurch schwer beschädigt werden und abhängig vom Schusswinkel und dem Auftreffwinkel im Geschossfang drohen gefährliche Abpraller.
Tipp von deiner Schießtrainerin:
Bevor du deiner neuen Waffe einen baulichen Fehler unterstellst, lass bitte mehrere andere versierte Schützen damit schießen (mindestens 5 Personen – je mehr, desto besser). Wenn du die einzige oder eine der wenigen Personen bist, die suboptimal treffen, die Mehrheit aber gut trifft, ist an der Kimme auch nichts falsch. Pistolen sind ab Werk standardmäßig meist maschinell auf 25 m eingeschossen. Und die Personen, die diese Einstellungen vornehmen und die Maschinen bedienen, wissen, wie das geht.
#10 Klassischer Fehler von Anfängern & Fortgeschrittenen:
Zu viel auf einmal von sich erwarten.
… oder auch: sich keine Zeit zum Lernen geben. Jeder Lernprozess beinhaltet 3 elementare Phasen: Erfolge und Fortschritte, Phasen der Stagnation sowie Misserfolge und Rückschritte. Ohne sie wäre ein Lernprozess kein Lernprozess, sondern vorhandene unfehlbare Kompetenz. Jede dieser Phasen, Erfolge wie Misserfolge und Phasen, in denen mal nichts weitergeht, kehren aus unterschiedlichen Gründen immer wieder. Etwa, weil deine Tagesverfassung nicht passt und deine Konzentrationsspanne an einem Tag kürzer ist als sonst. Oder weil vielleicht die Waffe lange nicht gereinigt wurde Abgangsfehler auftreten. Kehren diese Phasen wieder, wirst du die Bedeutung der Redewendung „man lernt nie aus“ verstehen lernen; und das bezieht sich nicht bloß auf das Schießen. Lernen ist ein dauerhafter (Fort)Entwicklungsprozess.
Tipp von deiner Schießtrainerin:
Möchtest du etwas effektiv lernen, sodass du es verstehst, gib dir selber auch die Zeit, diese Dinge zu verarbeiten, zu üben, zu durchdenken. Meine Wenigkeit hatte einen Schießtrainer im Verteidigungsschießen, das Präzisionsschießen erforderte aber eine autodidaktische Herangehensweise. 4 Jahre hat es gedauert, bis ich mit meinem Trefferbild nicht nur konstante Ergebnisse erzielte, sondern auch konstant zufrieden war – weil ich bei jedem einzelnen Schuss wusste, warum.
In diesen Jahren habe ich teures Lehrgeld bezahlt, das du sparen kannst, sofern du möchtest: Das Präzisionsschießen lernte ich mit einer Glock 23 Gen 4 im Kaliber .40 S&W gelernt. Ohne Schießtrainer. Es gab viele Trainingseinheiten, für die ich mich regelrecht schämte. 4 Jahre lang habe ich exzessiv an mir gearbeitet, um dir heute dabei zu helfen, jenes Geld zu sparen, das ich einst investierte. Falls du diese Gelegenheit nutzen möchtest, nimm gerne Kontakt zu mir auf und lass mir dein Anliegen da: office@dms-shooting.at
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Der meistgemachte Schützenfehler ist #11:
Glauben, dass du keine machst.
Du machst Fehler. Ich mache Fehler. Aber sie fallen uns an uns selbst nicht auf. Nur den anderen, wenn sie uns über die Schulter schauen. Auch dir fallen sie zuerst an anderen auf, sei es nun ein Sicherheitsverstoß oder ein schwankender Oberkörper. Denke immer daran, an wie viele Kleinigkeiten du beim Schießen denken musst. Welche Faktoren mitspielen. Und dass dein Gehirn nicht für das Ausmaß an Konzentration gebaut ist, die du bei jedem Schuss aufbringen solltest.
All die Parameter, vom Schützen über die Waffe bis zur Ballistik – sie sorgen dafür, dass Schießen bis zu einem gewissen Grad unkontrollierbar bleibt. Und wie viel von dieser Unkontrollierbarkeit wir uns erlauben, entscheiden wir alle jeweils für uns selbst. Genau das macht das Präzisionsschießen so spannend – aber auch gefährlich. Ein Schützenfehler, an dem wir alle mit jedem Griff zur Waffe bewusst arbeiten müssen, ist die Einhaltung der Sicherheitsregeln.
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