Waffensachkunde in Deutschland
Wer mit seinen Waffen international unterwegs sein möchte, setzt tunlichst daran, im Ausland nicht gegen geltendes Recht zu verstoßen. Wenngleich die national gültigen Waffengesetze und Verordnungen sich in den Grundzügen stark ähneln, können gerade die feinsten Unterschiede bei falscher Annahme oder Spekulationen gravierende Folgen nach sich ziehen.
Das Fazit zur Waffensachkunde in Deutschland vorab:
Wenn Du Dich ernsthaft für den Waffenbesitz interessierst, lege ich Dir einen solchen Lehrgang ans Herz. Auch, wenn Du nicht aus Deutschland kommst. Vor allem bei jenen Schützlingen, die bereits eine Schulung über das Waffenrecht genossen haben, bin ich zuversichtlich, dass diese die Waffensachkunde in Deutschland erfolgreich absolvieren.
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Intensiv – deutsche Waffensachkunde als Kombi-Lehrgang
Die Waffensachkunde ist in Deutschland erforderlich, wenn Du eine Waffenbesitzkarte oder einen Waffenschein (in Österreich Waffenbesitzkarte oder Waffenpass) beantragen möchtest. Vom Grundprinzip her ähnelt die WSK also dem österreichischen Nachweis über den sachgemäßen Umgang mit Schusswaffen (aka Waffenführerschein). Aber sie ist umfangreicher.
Der gravierendste Unterschied ist, dass es in Deutschland gesetzliche Grundlagen gibt. Diese schreiben genau vor, wer einen solchen Lehrgang zur Erlangung der Waffensachkunde abhalten darf und was unterrichtet werden muss. In Österreich gibt es das nicht: Hier kocht jeder Anbieter mehr oder weniger sein eigenes Süppchen. Besondere Voraussetzungen muss der Anbieter nach derzeitiger Rechtsprechung auch nicht erfüllen.
Die Erlangung einer Waffenbesitzkarte ist in Deutschland, an ein konkretes Bedürfnis gebunden, etwa die Ausübung der Jagd, des Schießsports oder das Sammeln. Kraft Gesetzes genügt es, die Waffensachkunde für jene Waffen nachzuweisen, mit denen dieses Bedürfnis befriedigt wird. Daher existieren unterschiedliche WSK-Lehrgänge, die einzeln absolviert werden können: Eine eigene Waffensachkunde für Sportschützen, eine für Sammler, eine für Berufswaffenträger und die Waffensachkunde für Jäger. Letztere wird im Regelfall gemeinsam mit dem Jagdschein erworben.
Ich entschied mich aus Gründen der Effizienz für einen Kombi-Lehrgang und meldete mich zur Waffensachkunde für Sportschützen, Sammler und Berufswaffenträger an. Parallel dazu zum Onlinekurs für Schieß- und Standaufsichten und den Schießsportleiter. Am Ende dieses Kombi-Lehrgangs galt es, eine theoretische und eine praktische Prüfung zu bestehen. In Österreich hingegen reicht die bloße Teilnahme bei vielen Anbietern bereits aus, um den Nachweis über den sachgemäßen Umgang mit Schusswaffen zu erhalten. Eine Prüfung ist hier gesetzlich nicht vorgeschrieben.
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4 Tage – 3 Prüfungsbereiche
Organisatorisch lief alles reibungslos. Die Anmeldung war überaus unkompliziert und der Kombi-Lehrgang um insgesamt EUR 600,00 überraschend günstig. Prüfungsantritt inklusive. Der Kurs war sauber strukturiert und die Teilnehmer allesamt diszipliniert, was dem Lernen auf nennenswerte Weise förderlich war. Am ersten Tag standen Langwaffen im Vordergrund, Flinte wie Büchse inklusive in Deutschland freier und kombinierter Waffen. Auch die dazugehörigen Schloss-, Verschluss- und Abzugssysteme, Chokes bei Flinten und ein munitionskundlicher Teil wurden abgehandelt.
Am zweiten Tag waren die Kurzwaffen an der Reihe. Der Vortragende ging insbes. auf die Funktionsweise von Pistole und Revolver ein, das Material der Waffen, auf Abzugsmechanismen und Sicherungen. Spezielle Begriffe, die im Zusammenhang mit diesen Waffentypen gerne auftauchen, wurden gesondert erläutert. Der Geschäftsführer selbst präsentierte abends noch die Welt der Berufswaffenträger in Deutschland und die Prüfungsfragen der Schieß- und Standaufsicht.

Die große Überraschung – das Waffenrecht
Tag drei beinhaltete die rechtliche Materie mit Fallbeispielen aus dem Alltag der Waffenbesitzer, Standaufsichten und Schießsportleiter. Viel theoretischer Stoff rund um Notwehr, Beschuss und das Waffengesetz ließ die Köpfe rauchen. Dennoch stellte ich überrascht fest, dass sich das deutsche Waffenrecht in den wesentlichsten Punkten umfangreich mit dem österreichischen deckt. Nur wenige Feinheiten erfordern ein Umdenken. So etwa die Thematik mit den Anscheins- und SRS-Waffen oder das generelle Bedürfnisprinzip beim WBK-Erwerb. Wenn Du vor dem Waffensachkunde-Kurs nie mit Gesetzestexten und Paragrafen zu tun hattest, kann der rechtliche Kursteil überfordernd sein. Wer aber grundlegend weiß, wie man mit Paragrafen umgeht, versteht das deutsche Waffenrecht ebenso gut, wie das österreichische.
Besonders interessant war die Veranschaulichung der juristischen Praxis anhand einiger fiktiver wie auch tatsächlicher Fallbeispiele. Eines ist mir aufgrund meiner vor allem beruflichen Betroffenheit besonders in Erinnerung geblieben:
Hauptaufgabe einer Schieß- und Standaufsicht ist, dafür zu sorgen, dass von den Schützen, ihren Waffen und ihrer Munition keine Gefahr ausgeht. Verstößt ein Schütze gegen die Sicherheitsregeln im Umgang mit Schusswaffen, hat die Aufsicht ihn ggf. des Schießstandes zu verweisen. Will ein Schütze mit gesetzlich verbotener Munition schießen, hat die Aufsicht ihm dies zu untersagen. Verantwortliche Aufsichtspersonen, die dies unterlassen, sollen bereits ihre waffenrechtliche Zuverlässigkeit verloren haben. Verliere ich als österreichische Schießtrainerin in Deutschland meine waffenrechtliche Zuverlässigkeit, kann dies zum Verlust meiner waffenrechtlichen Verlässlichkeit in Österreich führen. Ganz besonders dann, wenn die am deutschen Schießstand geduldete verbotene Handlung auch in Österreich verboten ist. Nun ergibt sich der Konflikt, dass einiges, aber nicht alles, was in Deutschland verboten ist, auch in Österreich verboten ist. Ebenso verhält es sich mit allen anderen europäischen Staaten.
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Die Waffensachkunde-Prüfung als Self-Check
Am vierten Tag fasste unser Dozent zusammen, was die Tage zuvor im Detail ausgearbeitet wurde. Zur Vorbereitung auf die theoretische Prüfung am selben Nachmittag arbeiteten wir vormittags den Fragenkatalog durch. Der erste Eindruck: Diese Prüfung ist definitiv zu schaffen, vorausgesetzt, Du bist des sinnerfassenden Lesens mächtig und liest aufmerksam. 90 Prüfungsfragen sind zu bewältigen, davon müssen 69 Fragen richtig beantwortet sein, um zu bestehen. Der niedrigste erreichte Wert unter allen Teilnehmern waren 83 Richtige, die dem Fragenkatalog des Bundesverwaltungsamtes zur Sachkundeprüfung nach § 7 WaffG (Deutschland) entstammen. Möchtest Du Dich auf die Probe stellen? Dann lade Dir den deutschen Fragenkatalog einfach kostenfrei herunter und überprüfe Dich selbst. 🙂
Eine Besonderheit der Waffensachkunde für Berufswaffenträger ist, dass diese auch einer Schießprüfung unterzogen werden. Auch diese gestaltet sich ähnlich der Praxis beim österreichischen Regel-Waffenführerschein: 5 Schuss sind auf 15 m abzugeben, mind. 3 müssen im Ziel liegen. Wir schossen mit einem Revolver vom Typ §&W 686-1 und benutzten Wadcutter und Teilmantelmunition in den Kalibern .38 Special und .357 Magnum. Alle Treffer landeten wo sie landen sollten – die Schießprüfung war bestanden.

Waffenführerschein, Waffensachkunde & Firearms License
Zur klaren Differenzierung sei nochmals erwähnt: Für die deutsche Waffensachkunde existieren gesetzliche Vorgaben, wer die Lehrgänge abhalten darf, was zu unterrichten ist und wann ein Teilnehmer die Waffensachkunde nachgewiesen hat (zB mit Bestehen der Prüfung). In Österreich gibt es keine gesetzliche Regelung für den Nachweis über den sachgemäßen Umgang mit Schusswaffen. Nur, dass Du insbes. im praktischen Umgang mit Waffen geschult worden sein musst, ist vorgeschrieben. Ob das auch die Schussabgabe beinhaltet oder nur das Zerlegen und Zusammenbauen, spezifiziert der § 5 der 2. WaffV für Österreich nicht.
Jeder österreichische Anbieter setzt seine eigenen individuellen Kriterien fest, wann ein Teilnehmer den Waffenführerschein erhält. Aus rechtlicher Sicht ist in Österreich keine Prüfung zu absolvieren; dennoch werden seriöse Anbieter Dir keinen Waffenführerschein aushändigen oder abstempeln, wenn Du im Zuge der Schießpraxis keinen Treffer auf die Zielscheibe bringst oder andere Anwesende gefährdest.
Als Schießtrainerin habe ich mir erlaubt, meinen eigenen Nachweis über den sachgemäßen Umgang mit Schusswaffen nicht Waffenführerschein zu nennen, sondern Firearms License. Dieser unterscheidet sich zum Waffenführerschein insbes. durch die gelebte Praxis am Schießstand: Anstatt nur 5 oder 10 Schuss abzugeben, die mehr Fragen aufwerfen als vorher da waren, ist im Gesamtpaket eine Stunde Schießtraining inkludiert. In dieser Stunde haben alle Teilnehmer auch bei anfänglicher Unsicherheit ausreichend Zeit, Fehler zu korrigieren und das anfangs vielleicht schlechtere Trefferbild auf ein sicheres Niveau zu bringen. Mindestkriterium für das Bestehen der DMS Firearms License ist, dass am Ende des Schießtrainings die mehrheitliche Trefferlage sich um die innere Mitte der Zielscheibe befindet, wenngleich die Streuung noch recht groß sein mag.
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Was die Waffensachkunde mir offenbart hat
Startet man in Österreich eine Unterhaltung über das deutsche Waffenrecht, ist eine hitzige Debatte unvermeidbar. Oft gehen die Wogen hoch, diskutiert man am Stammtisch über seine Komplexität und Strenge. Ich selbst hatte in diesen 4 Tagen in Fulda einige sehr wertvolle Erkenntnisse.
Nackte Zahlen
Als einen Hauptgrund für die scheinbare (wirklich nur scheinbare) Schwere des deutschen Waffenrechts sehe mittlerweile die Tatsache, dass jede Waffenbehörde bestimmte Entscheidungen im eigenen Ermessen treffen darf. Fakt ist: das tun österreichische Waffenbehörden ebenfalls regelmäßig, sogar in überwiegend ähnlichen Fällen wie deutsche. Der Haken: Österreich hat 9 Bundesländer mit ….. Waffenbehörden. Deutschland hat 17 Bundesländer und … Waffenbehörden. Da liegt es auf der Hand, dass im Vergleich zu Österreich ein Wildwuchs an Ermessensentscheidungen entsteht: Der zuständige Beamte trifft eine bestimmte Entscheidung basierend auf seiner Auslegung eines Gesetzes- oder Verordnungstextes – und unter Berücksichtigung, dass er mitunter gegenüber dem Bundesministerium des Innern begründen muss, warum er in diesem einen Fall so entschieden hat und nicht anders.
Themenverfehlung im Waffengesetz
Ein zweiter Aspekt ist das Thema Messer. Das deutsche Waffengesetz beinhaltet Bestimmungen über Messer, die nach deutschem Recht gar keine Waffen sind. Ein Beispiel: Küchen- und Taschenmesser ohne Feststellklinge und mit Klingenlänge unter 12 cm sind in Deutschland keine Waffen, sie dürfen aber nach § 42a (1) Nr. 3 WaffG trotzdem nicht öffentlich geführt werden. In diesem Gesetzestext werden solche Messer dezidiert als Messer bezeichnet und nicht etwa wie in einem der Punkte davor als Hieb- oder Stoßwaffe. Folglich müssen sich alle Bürgerinnen und Bürger, die nicht gegen das Gesetz verstoßen möchten, mit dem WaffG auseinandersetzen, obwohl sie gar keine Waffen besitzen. Dass das nicht jedem schmeckt, dürfte ebenso einleuchtend sein.
Neue Blickwinkel
Der Lehrgang zur Erlangung der Waffensachkunde im Deutschen Sachkundezentrum in Fulda, Hessen, hat mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet. Das Resultat dieses Lehrgangs ist eine teils geänderte Wahrnehmung, teils aber auch eine Bestätigung bereits bestandener Vermutungen. Das Verständnisproblem, mit dem das deutsche Waffenrecht aus österreichischer Perspektive behaftet ist, entpuppt sich zumindest in meinen Augen als Mythos. Vielmehr denke ich, dass es sich um Interpretationsfehler handelt. Trifft eine Waffenbehörde pro Sachbearbeiter und Tag eine für den Betroffenen negative Ermessensentscheidung, wären das innerhalb einer Woche bereits ….. mehr oder weniger unterschiedliche Ermessensentscheidungen und ….. Betroffene, die ihre Negativerfahrung kundtun. Bei einem zweiten Sachbearbeiter gleich doppelt so viel – je Behörde und Tag.
Unter anderem dieser Ermessens-Wildwuchs und diverse gesellschaftliche Ereignisse sind es, die in der deutschen Rechtsprechung immer wieder zu Änderungen im Waffenrecht führten. Doch anstatt diese sinnvoll in das bereits bestehende Gesetz zu integrieren, wurden immer neue Verordnungen, Richtlinien und andere Begleitdokumente erlassen, sodass die Informationsbeschaffung zunehmend unübersichtlich wurde: Neben dem Waffengesetz (WaffG) an sich existieren eine Allgemeine Waffengesetz-Verordnung (AWaffV), die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV), Beschussgesetz (BeschG) und Beschussverordnung (BeschV) wie auch in Österreich, das Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG), gleich mehrere Waffenrechtsänderungsgesetze (WaffRÄndG) und noch weitere Quellen. Die Anzahl an Verweisen unterschiedlicher Rechtsquellen auf eine jeweils andere ist enorm. Solche Verweise gibt es in Österreich ebenso, allerdings in deutlich geringerem Umfang. Hier finden Gesetzesänderungen, die Waffen betreffen, für gewöhnlich auch im WaffG selbst Einzug. Und tauchen nicht als neues Gesetz separat auf.
Das, was in Deutschland der § 42a WaffG regelt (Führen von Messern, die keine Waffen sind), wird in Österreich aber sehr wohl von einem (geplanten) neuen Gesetz geregelt; dem Messertrage-Verbotsgesetz (MT-VG). Der offiziell nie veröffentlichte, sondern geleakte Gesetzesentwurf behandelt nur jene Messer, die ausdrücklich keine Waffen sind; deshalb wurde dieses geplante Gesetz auch nicht ins WaffG integriert. Allerdings liegt der Entwurf bereits seit ca. 1,5 Jahren auf Eis und wurde bis heute nicht umgesetzt.
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